Rede anlässlich einer Ausstellung mit Werken von Norbert Lütz in Aachen

 

Auf einer Zeichnung, einem Selbstbildnis zeigt sich Norbert Lütz wie er immer aussieht, mit Schiebermütze. Die Augen starr und unbewegt auf den imaginären Gegenüber gerichtet, fixierend. Nur durch den Kopf sticht ihm ein Bleistift - ironischer und zugleich treffender konnte er sich nicht selber porträtieren.

Härte. Geballte Fäuste. Kraft. Wunden. Salz. - Es sind beileibe nicht Liebreiz und süßliche Schönheit, Romantik, Sonnenschein und Harmonie, die mir in den Sinn kommen, wenn ich an Norbert Lütz` Arbeiten denke. Zu deutlich, ja eindeutig, zeigen sie mitunter, was er meint und wie er denkt. Wie, wenn einer sein Gesicht nicht verschleiern kann, nicht schauspielern und hinter einer Maske des "Good will" verstecken kann, sondern alles glasklar und sofort ablesbar ist auf der Bühne zwischen Augenbrauen, Kinn und beiden Ohren.- Wut und Ärger, Trauer und Enttäuschung sind elementare Gefühle. Zu schwer und zu schade, um sie nicht auszuleben.

Und so redet er auch mit einem. Eindringlich und um Intensität bemüht, dich nicht aus den Augen lassend, fast beschwörend manchmal - und zugleich von einer viel tiefer liegenden Unsicherheit getrieben, die versteckt kocht wie ein verschlossener Vulkan.

Die Arbeiten, die ich von Norbert Lütz kenne, sagen mir: es liegt ihm nicht, sich quälend lange mit der Suche nach kunstvollen Metaphern und prachtvollen Allegorien zu befassen. Seine Bildergeschichten sind geradlinig, auf die Pointe zugespitzt, ja , fast eindimensional. Doch die Pointe ist meist ohne Witz, dafür bissig und voller Spott.

Da gibt es karikierende Darstellungen der Spitzen der Gesellschaft, von Menschen mit und ohne Amtsanmaßung. Dann wieder sind es in sich versunkene, kauernde Gestalten oder entindividualisierte Frauentypen. Und Norbert Lütz scheut auch vor den Heroen der Kinderzimmer und spätjährlichen Kultfiguren nicht zurück und schlägt Weihnachtsmänner ans Kreuz oder dämonisiert sie als Zocker, bestechlich, käuflich, unehrlich. Wer glaubt noch an den Nikolaus?

Und wenn ich von Härte spreche, dann nicht nur, weil die Themen und Motive hart auf mich wirken. Norbert Lütz ist kein Kabarettist, der den Kampf gegen Hörigkeit und Stumpfsinn elegant mit dem Florett ausficht. Der Personalstil offenbart es. Der Pinsel hinterlässt starke, manchmal heftige Linien, Schwarz umrandet die Gestalten, Rot und Weiß stellten schon oft die einzigen Pole der Farbigkeit. Die frontalen Figuren zwingen zum Hinsehen.

Doch so was entsteht nur, wenn der Malende sich nicht zufrieden gibt damit, dass er die Welt nachbildet im verkleinerten Format. Norbert Lütz beweißt, dass das  Anliegen von gemalten Bildern nicht die Beschönerung des Alltags ist, sein kann. Malerei ist keine Werbung, für nichts. Malerei ist Arbeit, Selbstbefragung, Therapie, Anklage, Vorwurf, Infrage-Stellen, zweifeln, suchen und -manchmal- finden.

 

Stefan Skowron

Aachen, im Oktober 2002